Bargeldloses Bezahlen – Wer wird abgehängt?

 Abb.: Eigene Darstellung nach Allensbach-Studie 

In Zeiten von Covid-19 wird bargeldloses oder kontaktloses Bezahlen sogar von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen, obwohl die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus über Bargeld nicht wirklich geklärt ist. Einige Händler und Ladenbesitzer bitten ihre Kunden kontaktlos zu bezahlen, andere nehmen überhaupt keine Scheine und Münzen mehr an. Die Deutsche Kreditwirtschaft verdoppelte das Limit für die Kartenzahlung ohne PIN zuletzt von 25 € auf 50 €, um die „hygienischen Zahlungsmethoden“ zu unterstützen.

Die Vorteile des bargeldlosen Bezahlens liegen auf der Hand: Es dauert meist nur einige Sekunden und der Kontakt mit Beschäftigten an den Kassen sowie potentielle Übertragungen von Viren werden vermieden. Unabhängig von der Pandemie erleichtert das bargeldlose Vorgehen Händlern die Buchhaltung, erschwert Steuerhinterziehung und Betrug und sorgt für weniger Gewicht in Hand- und Hosentaschen. Gegner bargeldlosen Bezahlens dagegen führen einige Bedenken an, zum Beispiel beim Thema Sicherheit. Besonders beim Bezahlen mit Smartphone oder Tablet können durch Sicherheitslücken oder fehlende Updates die Zahlungsdaten ausgespäht und für einen Betrug genutzt werden. Außerdem wird immer wieder die Angst geäußert, Menschen würden durch die stetige Abschaffung von Bargeld schlichtweg kontrollierbarer und noch stärker von Bank- und Finanzwesen abhängig werden.

Ein Argument ist in dieser Diskussion jedoch viel entscheidender: Nicht jeder hat den gleichen Zugang zu bargeldlosen Bezahlalternativen. Die oben angeführte Studie zeigt etwa, dass Besonders ältere Deutsche, kleinere – aber auch größere – Beträge bevorzugt bar begleichen möchten. Sicherlich hängt das maßgeblich damit zusammen, dass diese Menschen einer Generation entstammen, die von der Weisheit „Nur Bares ist Wahres“ geprägt wurde. Und es stimmt ja auch, Bargeld ist unkompliziert und einfach zu kontrollieren. Sind zwanzig Euro im Portemonnaie, sind zwanzig Euro da. Sind sie weg, sind sie weg. Besonders Kreditkarten verleiten oftmals dazu, mehr Geld auszugeben, als einem tatsächlich zur Verfügung steht. Dennoch entspricht das bequeme und schnelle Bezahlen mit Karte oder Smartphone den Ansprüchen des Neoliberalismus. Wie oben bereits erwähnt, verkürzt sich der Bezahlvorgang – etwa, weil kein PIN mehr eingegeben werden muss – um einige Sekunden und erscheint so nicht mehr als unnötige Unterbrechung. Nichtsdestotrotz fällt es besonders älteren Menschen oftmals schwer, die neuen Techniken zu erlernen und ihnen auch das nötige Vertrauen entgegenzubringen. Reißerische Schlagzeilen, die vor Betrügern und Maschen warnen, bestärken viele nur in ihrem Festhalten am Bargeld, das vermeintlich sicher verwahrt werden kann.

Bei der Nutzung des Smartphones zum Bezahlen zeigt sich eine weitere Hürde, besonders für die Älteren: Besitzt heutzutage fast jeder Jugendliche und Erwachsene ein Smartphone, kann nur etwa die Hälfte der ab 60-Jährigen dasselbe von sich behaupten. Und tatsächlich reicht der einfache Besitz eines Smartphones ja auch mitnichten aus, um damit bezahlen zu können. Ist es NFC-fähig? Unterstützt die Bank die Bezahlart? Ist das Online-Banking freigeschaltet? Und wenn all diese Fragen geklärt sind, muss abschließend eruiert werden, ob das Bezahlterminal an der jeweiligen Kasse auch das Bezahlen via Smartphone unterstützt.

Damit gelangen wir zu der nächsten Gruppe, die durch den Vormarsch der bargeldlosen Bezahlmöglichkeiten zunehmend unter Druck gerät: die Händler. Sie müssen aufrüsten, neue Kassen- und Bezahlsysteme anschaffen, gegebenenfalls Gebühren und Kosten mit den Banken abstimmen und ihre Buchhaltung den Alternativen anpassen. Diese Umstellung ist erstens mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden, aber auch mit Kosten, die zunächst einmal gedeckt werden müssen. Besonders in Branchen, in denen noch vorzugsweise mit Bargeld bezahlt wird, z.B. in der Gastronomie, ist die Aufrüstung auf bargeldloses Bezahlen auch bei Kleinbeträgen daher noch nicht weit fortgeschritten. Das liegt zuletzt auch daran, dass vielen Händlern nicht bewusst ist, dass sich die Umstellung durchaus lohnt – bargeldloses Bezahlen ist nicht nur für Kunden oftmals einfacher und bequemer, sondern birgt auch viele Vorteile für die Händler selbst. So wird etwa die Buchhaltung vereinfacht, da die Einnahmen besser zu überblicken sind. Es fehlt jedoch an einer umfassenden Kampagne oder Schulungen, die von Selbstständigen und Gewerbetreibern in Anspruch genommen werden können.

Trotz der eben beschriebenen Widrigkeiten und Herausforderungen engagieren sich vor allem Bezahlabwickler und große Handelsunternehmen zunehmend für das elektronische Bezahlen. Sicherlich soll für die Kunden ein angenehmes Kauf-, bzw. Zahlerlebnis geschaffen werden, darüber hinaus werden jedoch bei jedem Zahlungsvorgang Transaktionsdaten generiert, die wesentliche Aufschlüsse über das Verbraucherverhalten liefern. Die Datenauswertung der stetig wachsenden Datenmenge liefert Handelsunternehmen wesentliche Erkenntnisse über das Konsumverhalten ihrer Kunden und ermöglicht unter anderem gezielte, personalisierte Produktwerbung. Daraus ergeben sich auf Kunden- und Händlerseite offensichtliche Vorteile. Allerdings ist vielen Konsumenten gar nicht klar, welche Datenspur sie beim bargeldlosen Bezahlen hinterlassen und was daraus alles abgelesen werden kann, warnen Verbraucher- und Datenschützer. So ist es für Algorithmen ein Leichtes, anonymisierte Transaktionsdaten eindeutig einer Person zuzuordnen. Aus sämtlichen Daten, die beim Bezahlprozess anfallen, könne jedoch noch viel mehr abgelesen werden, so etwa der Tagesablauf einer Person, aber auch die Lage der Wohnung, Zweitwohnung oder Arbeitsstätte.

Bisher ist es keinem Unternehmen möglich, alle anfallenden Daten auf einmal zu bündeln. An den Ladenkassen wird nur der jeweilige Einkauf registriert, nicht aber der in anderen Geschäften. Banken kennen die Einkaufssummen, Namen und Adressen der Kunden, die Bezahlabwickler die Terminalstandorte und jeweiligen Kartennummern, nicht jedoch die Namen der Kunden. Dennoch bestehen hier einige Risiken, wie ein Blick in Datenschutzbestimmungen zeigt. Die anfallenden Daten werden oftmals über einen längeren Zeitraum gespeichert, etwa zur Betrugsverhinderung. Allerdings werden Kunden auf ihrer Grundlage auch in Bonitätsklassen eingeteilt, wie Datenschützer bereits bemängelten. Darüber hinaus verkaufen inzwischen sehr viele Firmen diese Datensätze auch, und das ganz legal, etwa an Werbeagenturen oder Vertreter.

Bargeldloses Bezahlen ist ein Thema, dass uns seit geraumer Zeit begleitet. Es ist unumstritten, dass es das Leben und Bezahlen nicht nur beschleunigt, sondern auch erleichtert. Dennoch ist nicht alles Gold, was glänzt. Bargeldlose Bezahlalternativen haben entscheidende Nachteile gegenüber Bargeld und nicht selten werden bestimmte Gruppen auch einfach durch die Einführung der neuen Bezahltechniken benachteiligt oder sogar ganz von bestimmten Bereichen des Konsums ausgeschlossen. Die Diskussion dazu ist bereits in vollem Gange und wird uns sicherlich auch noch einige Jahre weiter begleiten.

Phila Hädler

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