Wo Frauenrechte mit Füßen getreten werden

Wir schreiben Dezember 2021. Es sind bereits vier Monate seit der Machtübernahme der Taliban vergangen und man erhält über die Medien bei weitem nicht mehr so viele Informationen aus Afghanistan wie noch im August diesen Jahres. Es scheint zwar einigermaßen ersichtlich zu sein, dass sich die wirtschaftliche Krise in diesem Land massiv verstärkt hat, aber welche Auswirkungen dies auf die Lebensrealität der Menschen vor Ort hat, ist ungewiss. Eins ist jedoch klar: das Wohlbefinden und die Sicherheit von vielen afghanischer Frauen und Mädchen ist gefährdet. Doch wie lauten diese Gefahren konkret und was sind die Folgen? Noch wichtiger: Besteht Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation von Frauen in diesem Land? 

Von Anfang an: Afghanistan galt seit 1996, das Jahr in dem Taliban zum ersten Mal an die Macht kamen, nie als das sicherste Land für das weibliche Geschlecht. Auch unter der NATO-Besetzung hat sich das zunächst nur wenig verändert, denn die Benachteiligung und Gefährdung von Frauen ist in gesellschaftlichen Strukturen und Traditionen tief verankert. Zwar wurden durch die von den USA eingesetzte afghanische Regierung ab 2001 rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen, die Frauen Selbstbestimmtheit und Sicherheit geben sollten, aber speziell in den ländlichen Regionen, in denen 80% der Einwohner*innen Afghanistans leben, konnten diese Reformen im Grunde nie umgesetzt werden. Allein in größeren Städten veränderte sich die Situation. Hier konnten Frauen die Burka ablegen, saßen in Parlamenten, waren teilweise als Ministerin aktiv an der Regierung beteiligt. Mädchen konnten zur Schule und anschließend zur Universität gehen. 

Seit der Machtübernahme der Taliban hat sich die Situation der Frauen weiter verschlechtert. Die Taliban versprachen zwar eine “inklusive” Politik, doch diese scheint nicht die rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern zu beinhalten. Das Ministerium für Frauenangelegenheiten wurde abgeschafft, stattdessen das Ministerium für Lasten und Tugend errichtet. Frau-en ist es nun verboten eine Universität zu besuchen, an der auch Männer eine akademische Ausbildung erlangen. Laut der Tagesschau werden die Geschlechter von nun an getrennt voneinander unterrichtet. Frauen sollen nur noch mit einer männlichen Begleitung das Haus verlassen, informiert Global Citizen. Wenn sie dem nicht folgen, werden sie auf der Straße beleidigt oder bedroht, wie Marzia Ahmadi kürzlich berichtete. Auch die physische Unversehrtheit der Frauen und Mädchen ist unter der erneuten Regierung der Taliban nicht länger gewährt. Es häufen sich Medienberichte, in denen davon berichtet wird, wie Frauen öffentlich ausgepeitscht und erniedrigt werden. 

Millionen von Afghaninnen sind nun mit ihren Familien geflüchtet, so auch Zarifa Ghafari. Sie ist die ehemalige Bürgermeisterin einer Provinzhauptstadt, Frauenrechtlerin und seit August 2021 auf der Flucht. Im Interview mit dem Fernsehsender 3Sat berichtet sie von der Flucht vor den Taliban, welche im Jahr zuvor noch ihren Vater ermordet hatten. Sie ist sich sicher: wäre sie in Kabul geblieben, wäre sie jetzt tot. Zudem wurden nach der Machtergreifung der Taliban viele Insassen aus den Gefängnissen entlassen, die in einigen Fällen auch von Richte-rinnen verurteilt wurden. Die Angst vor Rachemorden zwingt Richterinnen zum Untertauchen und zur Flucht. Dies ist nur ein kleines Beispiel von Berufsgruppen in denen Frauen präsent waren, die nun um ihr Leben fürchten müssen. Aber auch Zwangsheiraten nehmen zu. Es mehren sich inzwischen die Berichte, dass Frauen und junge Mädchen gegen ihren Willen „verdiente“ Soldaten der Taliban heiraten müssen. Tod und Gewalt drohen nun denen, die sich nicht dem patriarchalen System fügen. Forced Migration ist hier die Folge, wie bei Zarifa Ghafari oder den vielen Juristinnen, die flüchten mussten, um ihr Leben zu retten. Die Zerstörung von Existenzen, Familien und kulturellen Identitäten schreitet jeden Tag fort und wir schauen nur dabei zu.

Lea Steinkopf & Nele Stärke

Foto von Pixabay

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