Zwischen Mobilitätswandel und technischem Fortschritt – Die Zukunft der Automobilindustrie für den Arbeitsmarkt in Deutschland

Die Automobilindustrie zählt zu den gewinnbringenden und prestigeträchtigen Wirtschaftssektoren in Deutschland. Doch auch die großen deutschen Automobilkonzerne sind von den gesellschaftlichen Wandlungsprozessen unserer Zeit betroffen. Ein steigendes Umweltbewusstsein, sowie die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung sind Trends, die die Branche zunehmend vor Herausforderungen stellen. Dabei ist in den letzten Jahren vor allem ein Thema politisch stark diskutiert worden: die Mobilitätswende, mit der der Individualverkehr mit Benzin- und Diesel-PKW’s zugunsten umweltverträglicher Alternativen zurückgedrängt werden soll. Diese Umstellung hätte nicht nur wirtschaftliche Auswirkungen. Denn auch für den deutschen Arbeitsmarkt spielt der Automobilsektor bis heute eine große Rolle. 800.000 Menschen sind aktuell in der deutschen Automobil- und Zulieferindustrie beschäftigt und der Umsatz, den sie erwirtschaften, liegt jährlich bei etwa 400 Milliarden Euro. Es wundert also nicht, dass trotz der breiten Unterstützung für eine klimafreundlichere Politik in Deutschland, auch viele Menschen die Mobilitätswende kritisch sehen. Das liegt neben der großen wirtschaftlichen Bedeutung des Autos auch daran, dass die Infrastruktur für grüne Alternativen bislang nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist. Trotzdem bleibt die Automobilbranche wegen der Transformation der Mobilität unter Veränderungsdruck. Wie sich die dieser Veränderungsdruck in den nächsten Jahren im Arbeitsmarktgeschehen bemerkbar machen wird, ist vor diesem Hintergrund eine Schlüsselfrage. Vor allem gibt es die große Befürchtung, dass ein umweltfreundlicheres Mobilitätsgeschehen zu hohen Beschäftigungsverlusten führt.

Die bisher populärste Alternative zu den Autos mit Verbrennungsmotoren sind Elektrofahrzeuge. Seit einiger Zeit vermeldet das statistische Bundesamt für Verbrenner rückläufige Trends, während die Verkaufszahlen von Elektroautos steigen, was auf eine wachsende Beliebtheit hindeutet. Die Sorge, dass ein Umstieg von Verbrauchern auf Elektroautos zur Gefährdung von Arbeitsplätzen in der Autoindustrie führt, ist nicht ganz unberechtigt. Denn bei der Herstellung von Elektroautos entfallen viele Komponenten wie Getriebe, Tank, Auspuff, Verbrenner, was vor allem in der Zulieferindustrie und in der Wartung und Instandhaltung einen Arbeitsplatzabbau mit sich bringt.

Ein Forschungsbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeichnet jedoch ein optimistischeres Bild. Dieser zeigt, dass ein Mobilitätswandel sich sogar positiv auf das Wirtschaftswachstum und die Erwerbsarbeit auswirken kann. Neue Jobs könnten in vielen Bereichen entstehen, z.B. bei der Verbesserung der Schieneninfrastruktur, der Umsetzung „smarter“ Mobilitätskonzepte in Städten, einem Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos oder bei der Entwicklung, Produktion und Implementierung von Konzepten für das autonome Fahren. Dadurch könnten bis 2040 sogar 60.000 Jobs mehr entstehen als heute in der Automobilindustrie in Deutschland bestehen. Dabei ist aus Sicht der IAB-Forscher*innen mit regional unterschiedlichen Entwicklungen zu rechnen. Regionen, die in der Nähe von Großstädten wie Berlin, Düsseldorf, Hamburg oder München liegen, könnten die größten Beschäftigungsgewinne aufweisen. In einigen Regionen wird es aber auch zu Arbeitsplatzverlusten kommen, z.B. gehören die Regionen um Hannover und Leipzig dazu, in denen der Fahrzeugbau bisher stark vertreten ist.

Auch das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation kommt zu dem Schluss, dass der Verlust von Arbeitsplätzen im Automobilsektor weniger durch den Wechsel zur Elektromobilität beeinflusst wird, als vielmehr durch Produktivitätssteigerungen im Zusammenhang mit der weiteren Modernisierung und Automatisierung der Produktion und Verwaltung. Von den rund 75.000 Arbeitsplätzen in der Automobilproduktion, die bis 2030 voraussichtlich abgebaut werden, sind nur 20.000 Stellen durch den Umbau auf Elektromobilität gefährdet. Der Abbau der restlichen 55.000 Plätze hängt mit den technisch verbesserten Produktionsmöglichkeiten zusammen. Dies könnte Fachpersonal in der Produktion genauso betreffen wie Angestellte in der Verwaltung und im Management.

Natürlich ist die Frage der Ersetzbarkeit von Arbeit keine rein technisch-ökonomische. Gewerkschaften, wie die IG Metall prognostizieren, dass Reglementierungen mit der steigenden Digitalisierung immer wichtiger werden. Arbeitsschutzbestimmungen, Qualifikation der Arbeiter*innen und Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung sind daher wichtige Themen, die die Qualität der Arbeit in Zukunft bestimmen.

Deutschlands Automobilsektor macht einen nicht unerheblichen Teil der Wertschöpfung im Bruttoinlandsprodukt aus. Daher ist es wichtig, sich Strukturentwicklungen in dem Bereich näher anzusehen. Zwischen internationalen Konkurrenzentwicklungen, Digitalisierung und Klimakrise steht der ganze Sektor unter Veränderungsdruck. Wie sich Fortschritt und Beschäftigungssicherung dabei vereinbaren lassen, muss auf jeden Fall Beachtung finden und sollte unter Hinzuziehung von betroffenen Unternehmen und Beschäftigtengruppen Grundprinzip von zukunftsorientierter Gesellschaftspolitik sein.

Lena Mau

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