Pflegeberufe im Niedriglohnsektor – Wie Migrantinnen unsere Gesellschaft am Laufen halten

Systemrelevanz – ein Wort, das durch die Corona Pandemie eine ganze Reihe an Jobs aufgewertet hat.

Denn in der Krise ist bewusst geworden, dass gerade der Gesundheitssektor und die sogenannte kritische Infrastruktur dafür sorgen, dass unser System krisenfest sein könnte. Doch wer arbeitet eigentlich in diesen systemrelevanten Beruf?

Schaut man sich besonders den Gesundheitssektor an, fällt auf, dass etwa ¼ der beschäftigten in der Altenpflege, der Human- & und Zahnmedizin, der Pharmazie, als Arzt- und Praxishilfen sowie in der Krankenpflege Menschen mit Migrationshintergrund sind (Quelle: DeZIM). Die meisten von ihnen wurden sogar im Ausland geboren.

Gerade in der Altenpflege ist der Anteil der Migrant*innen im Vergleich zum gesamten Arbeitsmarkt mit 36,3 % extrem hoch. Genaue Zahlen zum Geschlecht der Migrant*innen im Gesundheitssektor, gibt es nicht. Da der Anteil der Frauen im Gesundheitspersonal bei 75,6 % liegt, werden es aber vor allem migrantische Frauen sein, die in diesem Sektor arbeiten.

Das Problem: Viele der Jobs in der Pflege befinden sind im Niedriglohnsektor, gehen mit prekären Arbeitsverhältnissen einher und erlangen wenig Wertschätzung in unserer Gesellschaft. Und das, obwohl sich seit der Corona Pandemie gezeigt hat, dass sie geradezu unersetzlich für Deutschland erscheinen.

Das besonders Migrant*innen im Niedriglohnsektor arbeiten, ist kein neues Phänomen. Gerade die erste Migrantengeneration ist häufig im Niedriglohnsektor beschäftigt. Die Gründe dafür sind die mangelnden Deutschkenntnisse, die nicht Anerkennung von Abschlüssen und Qualifikationen sowie die fehlenden Netzwerke auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Ihnen bleibt daher oft nur die „unbeliebten“ Jobs mit schlechteren Arbeitsbedingungen und wenig Flexibilität, wie sie beispielsweise im Gesundheitssektor zu finden sind.

Pflegeberufe als Teil des Niedriglohnsektors

Die Berufe im deutschen Gesundheitssystem sind oft geprägt von hoher Belastung und einer viel zu geringen Entlohnung. So berichten Gewerkschaften wie der DGB oft von einer starken körperlichen sowie psychischen Belastung und einem Flexibilitätsanspruch der Arbeitszeiten. Durch diese schlechten Arbeitsbedingungen kündigen immer mehr Pflegefachkräfte und es kommt kaum Nachwuchs. Die Bundesagentur für Arbeit meldet 2021 16.673 unbesetzte Stellen in der Pflege.

Migrantinnen im Niedriglohnsektor als Folge eines klassistischen Systems.

Die Unzufriedenheit der Pflegekräfte sorgt einerseits für Kündigungen, weil die Belastung zu hoch wird, andererseits trauen sich Pflegekräfte kaum noch zu kündigen, weil das Verantwortungsgefühl gegenüber den Patient*innen sie an den Job bindet. In diesem toxischen Verhältnis sind Migrantinnen besonders betroffen: Deutsche Pflegekräfte können das System leichter verlassen und sich umschulen lassen. Viele nutzen die Pflegeausbildung auch, um anschließend Medizin zu studieren. Doch Migrantinnen können das nicht so einfach. Durch die geringeren Bildungschancen, auch wenn sie in Deutschland geboren wurden, und die höheren Barrieren auf dem Arbeitsmarkt, bleibt ihnen oft nichts anderes übrig als weiter im Niedriglohnsektor zu arbeiten. 

Die nicht Anerkennung von Qualifikationen wird zum Hauptproblem der ersten Generation von Migrant*innen. Das Jobangebot begrenzt sich ohne weiterführende Qualifikationen meist nur auf den Niedriglohnsektor. Einmal in einem ausbeuterischen Job angestellt, ist es schwer, wieder raus zu kommen. Auch weil das Bewusstsein für die eigenen Rechte als Arbeitnehmerin oft fehlt.

Aber auch die zweite und dritte Generation leiden unter der Chancenungleichheit des deutschen Bildungssystems. Die Quote der Abiturient*innen ist unter Kindern von migrantischen Eltern zwar mittlerweile gleichhoch, durch finanzielle, sprachliche und fachliche Hürden gelinkt ihnen jedoch seltener der Abschluss an einer Universität. Sie entscheiden sich daher eher für Ausbildungsberufe bspw in der Pflege. Dadurch entsteht ein Kreislauf, der es Migrant*innen sehr schwer macht, prekären Arbeitsverhältnissen und dem Niedriglohnsektor zu entkommen.

Um den Pflegenotstand zu überwinden, müssen daher verschiedenste Barrieren abgebaut werden: Gerechte Entlohnung, sowie eine geringe Belastung lösen nur ein Teil des Problems. Darüber hinaus muss endlich eine Anerkennung von Qualifikationen, die im Ausland erworben wurden, erfolgen sowie die Einführung eines chancengerechteres (Bildungs-)System – gerade für Migrant*innen. Am wichtigsten scheint jedoch ein Bewusstsein für all die Migrantinnen, die im Niedriglohnsektor täglich die systemrelevante Arbeit leisten. Denn nur wenn diese Menschen endlich Sichtbarkeit bekommen, wird die Politik wirksame Maßnahmen entwickeln, um auch ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen.

Marlene Jahn

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