
Kinder, Küche, Kirche. Das waren zumindest früher die idealen Aufgaben der Frau. Doch heute, wo alles besser ist, gibt es diese Geschlechterungleichheiten und -Rollenzuweisungen doch gar nicht mehr. Leider ist das nicht die Realität. Hinzu kommt dann auch noch die Corona-Krise und stellt diese eben noch nicht besiegten Missstände ins Spotlight.
Woher kommt eigentlich diese Vorstellung der Geschlechterrollen? Ein kurzer Ausflug in die Soziologie: Das Phänomen der Zuweisung von verschiedenen Attributen und Charaktereigenschaften zu den verschiedenen Geschlechtern und der Reduzierung der Geschlechter auf jene, beschäftigt die Soziologie schon lange. So erforschte schon Max Weber (1956), wie sich die Positionen von Frauen in Gesellschaftsstrukturen auswirken. Talcott Parsons teilte den Geschlechtern verschiedene Rollen in der Gesellschaft zu, basierend auf ihnen zugeschriebenen Persönlichkeitsstrukturen. Frauen waren demnach der Familienversorgung zugeteilt und Männern galt die Ausübung eines Berufes (vgl. Becker-Schmidt 2008: 65). Doch auch Frauen strebten danach einen Beruf auszuüben und in die Erwerbsarbeit einzusteigen. Sie versuchten also – und versuchen bis heute – Beruf und Familie zu vereinen, was in viel Stress und wenig Zeit für persönliche Wünsche resultiert. Die doppelte Vergesellschaftung zeigt uns, wie Frauen doppelt in den gesellschaftlichen und sozialen Strukturen eingebunden sind. Zum einen in der Erwerbsarbeit, um finanziell eigenständig zu sein und eine Karriere unter für Männer gemachten Bedingungen zu erreichen. Zum anderen in der Privatarbeit, wo sie ihrer von der Gesellschaft zugeteilten Rolle der Kindererziehung, Hausarbeit und Familienverpflegung nachgehen (vgl. ebd.: 67f.). Aber im 21. Jahrhundert sollte Sorgearbeit nicht mehr über das Geschlecht verteilt werden und Emanzipation ein ständiges Anliegen sein.
Auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung der Geschlechter und mehr Anerkennung der Frauen in der Erwerbsarbeit rüttelte die Corona Pandemie und die damit einhergehende wirtschaftliche und gesellschaftliche Krise, plötzlich kräftig an reformierten Fundamenten. Mit der Schließung von Kindertagesstätten und Schulen mussten Familien tätig werden, um ihre Kinder zu Hause zu betreuen. Vor allem jene, in denen beide Partner (wir beziehen uns in diesem Beitrag nur auf heterosexuelle Partnerschaften) berufstätig sind. Hier warnen Forscher*innen vor einer möglichen Retraditionalisierung alter Rollen, in denen die Frau wieder alleinig für die Haus- und Privatarbeit zuständig sind (vgl. Allmendinger 2020: 45) oder freiwillig Arbeitszeit verkürzt, um sich doppelt einspannen zu lassen.
Doch wie sah es eigentlich vor der Pandemie aus? Auch wenn man meinen mag, dass Deutschland sehr fortschrittlich ist und für Gleichberechtigung steht, orientierte es sich sehr lange an patriarchalen Strukturen. Dies in sowohl dem sozialen als auch dem betrieblichen Leben. Am Beispiel des Ehegattensplittings1, was die Erwerbsarbeit für Frauen oft unattraktiv macht, sehen wir diese Orientierung noch heute. Unter anderem doppelte Vergesellschaftung führt nach wie vor zu Unterschieden in Sorgearbeit, Arbeitszeit- und Entgeltverteilung2 (vgl. Kohlrausch 2021: 765).
„Zu Hause“ – ein Ort, an dem man vor der Pandemie vergleichsweise wenig Zeit verbrachte. Es war nicht daran zu denken, nur noch zu Hause zu essen, Sport zu machen und insbesondere zu arbeiten. Nur wenige Beschäftigte nutzten die Möglichkeit des Homeoffice. Vor allem war es nur wenigen vom Arbeitgebenden erlaubt, ins Homeoffice zu gehen. Im Dienstleistungssektor und vielen anderen Branchen wäre Arbeit von zu Hause auch schlichtweg unmöglich und in diesen Branchen – die von der Pandemie am stärksten betroffen sind – arbeiten überwiegend Frauen (vgl. Möhring et al. 2020: 6; DGB 2020: 2). Hinzukommt, dass das Entgelt im zum Beispiel Dienstleistungssektor kleiner ausfällt als in anderen männerdominierten Branchen. Der Umschwung zur Gleichberechtigung ist schleppend, aber nicht unmöglich.
Plötzlich schafft es ein unbekanntes Virus die ganze Welt fest im Griff zu halten und verheerende Folgen anzurichten. Alles wird heruntergefahren. Es muss gehandelt werden und zwar schnell. Möglichkeiten von zu Hause zu arbeiten, die von Arbeitgebenden vor der Pandemie eher verschmäht wurden, mussten schnell eingerichtet werden. Trotzdem mussten Arbeitszeiten verkürzt werden. Familien mit Kindern, vor allem solche, in denen beide Partner berufstätig sind, mussten sich eine Lösung für die ausfallende Kinderbetreuung überlegen. Doch wer geht nun ins Homeoffice oder reduziert die Arbeitszeit?
Zunächst scheint Homeoffice eine beliebte Lösung zu sein. Es zeigt sich, dass sich dadurch eine Egalisierung der Geschlechterverhältnisse in der Kinderbetreuung und Privatarbeit anbahnt. Auch Männer arbeiten immer häufiger von zu Hause und übernehmen die Sorgearbeit. (vgl. Zucco/ Lott 2021: 16). Der Anteil der Egalisierung (beide Elternteile kümmern sich zu gleichen Teilen) oder der umgekehrten Traditionalisierung (der Mann ist überwiegend zuständig für die Sorgearbeit) steigt mit höherem Einkommen. Studien zeigten, dass je besser man verdient, desto eher kann man es sich leisten im Homeoffice zu arbeiten (vgl. Möhring et al. 2020: 5f.; Zucco/ Lott 2021: 20).
Doch der kurze Funke der Hoffnung an einen Umschwung schwindet schnell und es wird deutlich, dass dies eher eine Notlösung darstellte. Schon vor der Pandemie verdienten Frauen durchschnittlich weniger als Männer, was nicht zuletzt an der Unterbezahlung in vielen Berufen, die hauptsächlich von Frauen ausgeführt werden, liegt. Dazu zählen natürlich oft die von der Pandemie betroffenen Dienstleistungssektoren und systemrelevanten Berufe (vgl. Koebe et al. 2020: 2ff.). Paare müssen sich in Krisenzeiten nicht nur auf die Kinderbetreuung, sondern auch auf eine finanzielle Stabilität und Sicherheit fokussieren. Im Verlauf der Pandemie reduzieren also bald die Elternteile ihre Arbeitszeit, die weniger verdienen: Frauen. Überwiegend Mütter verkürzen freiwillig, um sich neben ihrem Beruf auch noch um die Kinder zu kümmern. Dagegen verringern Väter meist nur aufgrund von angeordneter Kurzarbeit o. ä. (vgl. Allmendinger 2020: 45). Die zunächst gleich aufgeteilte Sorgearbeit, wird also wieder traditionsfolgend eher von Frauen geleistet. Wie bereits vor der Pandemie leisten Frauen den Hauptteil der Sorgearbeit und geben sich der doppelten Vergesellschaftung hin. Es besteht nun die Gefahr, dass Frauen, die in der Pandemie ihre Arbeitszeit aus eigenem Willen reduzierten, es schwerer haben werden, diese wieder zu erhöhen und eine Brückenteilzeit drohen könnte.
Auch wenn es nicht explizit benannt wird, leben wir noch immer in einer Gesellschaft, die die Sorgearbeit durch Frauen mehr oder weniger voraussetzt. Zwar ist es mittlerweile selbstverständlich, dass beide Partner die Kinder in die Kita fahren oder von dort abholen. Jedoch ist es noch lange nicht selbstverständlich, dass dies beispielsweise auch bei der Pflege von Familienangehörigen der Fall ist. Auch ist bekannt, dass Mütter Homeoffice eher zur „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ (Allmendinger 2021: 73) nutzen. Jedoch wird schnell vergessen, dass das alte Rollenbilder hervorbringt. Bei einem Zwischenfall – das Kind ist krank, hat einen Arzttermin oder hat früher Schulschluss – ist die Mama ja da. Sie wartet quasi zu Hause. Zwar bietet Homeoffice für beide Partner auch die Möglichkeit, dass diese Sorgearbeit aufgeteilt wird, allerdings sei dies nur bei einem kleinen Teil der Gesellschaft der Fall (vgl. Zucco/ Lott 2021: 22). Eine erneute Verankerung dieses Gedankenguts in der allgemeinen Gesellschaft würde uns um viele Jahre zurückwerfen. Frauen erkämpfen sich mit allen Mitteln bessere Berufschancen und sollten nicht durch solche Umstände wieder gebremst werden. Aber wie oder wodurch kann das aufgehalten bzw. verhindert werden?
Ein bereits von Jutta Allmendinger angebrachter Weg ist die „Angleichung der bezahlten und unbezahlten Arbeit zwischen Frauen und Männern“ (Allmendinger 2021: 101). Wie bereits dargestellt, sind Frauen häufiger in Dienstleistungsberufen vertreten oder haben durchschnittlich geringere Arbeitszeiten. Dies führe häufig zu geringeren Aufstiegschancen, geschweige denn die Möglichkeit in Führungspositionen zu wechseln (vgl. ebd.: 101). Außerdem pausieren Mütter häufiger ihren beruflichen Werdegang, da sie mehr Elternzeit nehmen. Die langen Auszeiten fördern die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern. Die Mutter bleibt zu Hause, kümmert sich um das Kind, während der Vater die Karriereleiter weiter erklimmt. Es entsteht die „Arbeitszeitlücke“ (ebd.: 102). All das sind bekannte Probleme. Für deren Lösung existieren mehrere Wege.
Eine Möglichkeit ist es, die „Betreuungsangebote für Kinder und Jugendliche“ (ebd.: 102) auszubauen. Solche Forderungen sind immer schnell in den Raum gestellt und mit ihnen steht und fällt auch viel. Mütter könnten bei einem besseren Angebot mehr Vollzeitarbeit ausüben. Damit folgen Möglichkeiten wie bessere Aufstiegschancen und folglich bessere Chancen auf Führungspositionen (vgl. ebd.: 102). Aber wie könnte man die Angebote aufstocken? Eine Möglichkeit wären bessere Gehälter für Erzieher*innen. Dadurch würde dieses Berufsfeld attraktiver für neue Anwerber*innen und der Markt würde sich füllen. Daraus folgt, dass Ausfälle einzelner Erzieher*innen abgefedert werden und keine drastischen Auswirkungen zur Folge haben. Somit wäre die Betreuung stabiler.
Eine weitere Variante, ist das Stundenpensum sowohl für Männer als auch für Frauen aneinander anzupassen und somit die wöchentliche Arbeitszeit für Männer zu verkürzen (vgl. ebd.: 102). Männer wären demnach mehr in den Alltag eingebunden, würden Sorgearbeit genauso verrichten können wie die Frauen. Sie würden dadurch entlastet und Frauen hätten gleiche bzw. ähnliche Berufschancen wie die Männer. Die Beibehaltung von Homeoffice Angeboten, auch nach der Pandemie, kann auch mehr Männer dazu motivieren, größere Teile der Sorgearbeit zu übernehmen. Allmendinger bringt als Möglichkeit auch die Vier-Tage-Woche an. Eine Hürde dafür sehen wir nicht. Es bedarf keine Lohnaufstockungen oder große Umstrukturierungen. In den Bereichen, in denen es die Geschäftsstruktur zulässt, könnte ein solches Modell gut greifen. Ein Problem sehen wir an der Stelle jedoch immer noch bei den systemrelevanten bzw. Dienstleistungsberufen. Bei diesen würde die Vier-Tage-Woche kaum umsetzbar sein. Hierfür wären dann Lösungen, wie bspw. die Möglichkeit einer Wochenendbetreuung nötig.
Die Pandemie zeigt, welche Maßnahmen zur flexiblen Arbeitsgestaltung es auszubauen gilt und wo unsere Gesellschaft noch Schwachstellen bezüglich der gleichberechtigten Umsetzung hat. Um beispielsweise den Gender Pay Gap verringern zu können, benötigt man Maßnahmen, die langfristig wirken. Wie etwa die „Reformierung des Ehegattensplittings“ (Zucco/ Lott 2021: 23). Es diskriminiere Frauen unmittelbar und biete falsche Anreize bezüglich der Arbeitszeit, wodurch es für Frauen auch heute oftmals sinnvoller sei, einer geringfügigeren Beschäftigung nachzugehen (vgl. ebd.: 23).
Wir sollten die Einschränkungen der Pandemie und die damit aufgezeigten Probleme nicht beschönigen oder gar ignorieren, sondern sie als Anstoß zur Verbesserung und stetigem Fortschritt nutzen, um den Stillstand oder gar eine Retraditionalisierung zu verhindern.
Francesca Poletzky, Janne Wünsche
1 Ehegattensplitting: Das Einkommen beider Ehepartner wird addiert und anschließend halbiert und darauf die zu zahlende Einkommenssteuer berechnet. Dabei wird also unwichtig, wer mehr verdient.
2 vergleiche Gender Care, Time und Pay Gap
Literaturverzeichnis
Allmendinger, Jutta (2020): Zurück in alte Rollen: Corona bedroht die Geschlechtergerechtigkeit. In: WZB Mittelungen, Bd. 168, S. 45–47, [online] https://bibliothek.wzb.eu/artikel/2020/f-23092.pdf.
Allmendinger, J. (2021): ES GEHT NUR GEMEINSAM!: Wie wir endlich Geschlechtergerechtigkeit erreichen. Berlin: Ullstein Buchverlage GmbH.
Badura, B. et al. (2021): Fehlzeiten-Report 2021: Betriebliche Präventionen stärken – Lehren aus der Pandemie. Berlin: Springer Verlag.
Becker-Schmidt, R. (2008): Doppelte Vergesellschaftung von Frauen: Divergenzen und Brückenschläge zwischen Privat- und Erwerbsleben. In: Becker, R./ Kortendiek, B. (Hrsg.), Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung: Theorie, Methoden, Empirie (Geschlecht und Gesellschaft), 2. Aufl., VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 65–74.
Carstensen, T. (2020): Orts- und zeitflexibles Arbeiten: Alte Geschlechterungleichheiten und neue Muster der Arbeitsteilung durch Digitalisierung. Berlin: Springer Verlag.
DGB frauen (2020): TEILHABE AN ERWERBSARBEIT SICHERSTELLEN, SORGEARBEIT GERECHT VERTEILEN – UND RÜCKFALL IN ALTE ROLLENBILDER VERHINDERN!: Auswirkungen der Pandemie auf erwerbstätige Frauen & Vorschläge für eine geschlechtergerechte Überwindung der Krise. Arbeitspapier, Deutscher Gewerkschaftsbund.
Koebe, J. et al. (2020): Systemrelevant, aber dennoch kaum anerkannt: Entlohnung unverzichtbarer Berufe in der Corona-Krise unterdurchschnittlich. Berlin: DIW aktuell, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Nr. 48.
Kohlrausch, B./ Zucco, A. (2020): Die Corona-Krise trifft Frauen doppelt: Weniger Erwerbseinkommen und mehr Sorgearbeit. Düsseldorf: Policy Brief WSI, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung, Nr. 40.
Kohlrausch, Bettina (2021): Gleichberechtigung während der Pandemie. In: Wirtschaftsdienst, Bd. 101, Nr. 10, S. 765–768, [online] doi:10.1007/s10273-021-3021-3.
Möhring, K. et al. (2020): Die Mannheimer Corona-Studie: Schwerpunktbericht zur Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung.
Zucco, A./ Lott, Y. (2021): Stand der Gleichstellung: Ein Jahr mit Corona. Düsseldorf: Policy Brief WSI, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung, Nr. 64.