Ich sitze an der Lidl-Kasse und sehe die Kundin an. Ich habe frisch meine Aufträge als selbstständiger Workshop-Leiter verloren in Folge der Corona-Krise und habe den rettenden Anker darin gefunden, im Lidl auszuhelfen und ziemlich oft zu sagen, dass das Klopapier alle ist und wir nicht wissen, wann es neues gibt. Eigentlich bin ich recht froh, dass die Supermärkte gerade überlastet sind, weil jede*r denkt, dass die Welt jetzt untergeht und man sich dabei wenigstens noch den Arsch abwischen muss. So habe ich wenigstens ein Einkommen, denn Student bin ich auch noch, aber das ist eine andere Sache.
Ich sitze an der Lidl-Kasse und sehe die Kundin an. Ich habe frisch meine Aufträge als selbstständiger Workshop-Leiter verloren in Folge der Corona-Krise und habe den rettenden Anker darin gefunden, im Lidl auszuhelfen und ziemlich oft zu sagen, dass das Klopapier alle ist und wir nicht wissen, wann es neues gibt. Eigentlich bin ich recht froh, dass die Supermärkte gerade überlastet sind, weil jede*r denkt, dass die Welt jetzt untergeht und man sich dabei wenigstens noch den Arsch abwischen muss. So habe ich wenigstens ein Einkommen, denn Student bin ich auch noch, aber das ist eine andere Sache.
„Das macht dann 43,56 €.“, sage ich und frage die Kundin, wie sie bezahlen möchte. Sie ist zwar allein, aber ich sehe an ihrem Einkauf, dass sie Kinder hat. Babynahrung, Spielzeug & Co. wurden eingescannt. Sie guckt mich irritiert an und sagt: „Beim Bäcker musste ich meine Brötchen nicht bezahlen, ich bin doch Pflegekraft.“
„Hm, so solidarisch sind wir hier leider nicht, Sie müssen schon noch Ihren Einkauf bezahlen.“ entgegne ich ihr und werde auch langsam nervös, denn der Kunde dahinter deutet an, dass ihm dieser Vorgang ein wenig zu lange dauert.
„Jetzt bezahlen Sie schon, immerhin können Sie derzeit noch arbeiten und einen Zuschuss von 1500 Euro sollen Sie ja auch noch erhalten. Jeder Cent muss da ja jetzt nicht umgedreht werden.“ Ich sehe einen Anflug von Wut in ihrem Gesicht, nur ein kleiner Moment. Sie atmet einmal tief aus und beginnt zu klatschen. Erst ist es nur langsam und ziemlich leise. Doch zusehends klatschen ihre Hände immer stärker gegeneinander, so dass der ganze Laden es mitbekommt.
Als sie fertig ist, schaut sie mich und den Herren hinter ihr souverän an und sagt: „So, das ist die Belohnung für meine „Systemrelevanz“ gewesen. Ich habe Sie Ihnen gezeigt und ich hoffe, dass Ihnen das einen adäquaten Gegenwert für diese 43,56 € darstellt.“
„Leider nicht.“, sage ich.
„Leider nicht.“, sagt sie.
„Wissen Sie was, ich bezahle es für Sie!“ ruft ein Mann in Pilotenuniform und tritt hinter dem Nörgler hervor. „Meine Airline ist gerade frisch mit 9 Milliarden Euro gerettet worden und ich kann mir das einfach auch mal leisten, da ich in der Privatwirtschaft arbeite.“
„Ich arbeite doch auch in der Privatwirtschaft.“, sagt die Frau traurig.
„Und wie rentiert sich das bei Ihnen?“
„Niedriger Lohn für Arbeitnehmer*innen, Ausdünnung des Personalschlüssels, schlechte Arbeitsbedingungen, brauchen Sie noch mehr?“
„Hm, das Konzept ist mir, denke ich, klar geworden. Aber tatsächlich werden Sie doch jetzt auch vom Staat unterstützt mit der „Bonus-Zahlung“. Ihnen geht es doch dann besser, oder?“
„Natürlich. Sehr kurzfristig, aber es hilft. Aber rechnen Sie doch mal. Wir erhalten als Pflegekräfte alle zusammen einen Zuschuss von 870 Millionen Euro durch diese Bonus-Zahlung. Wie viel hat nochmal Ihr Unternehmen alleine erhalten?“
„9 Milliarden Euro, aber wir erwirtschaften ja auch eine ganze Menge Geld. Ist ja auch systemrelevant das Fliegen!“
„Stimmt, in unserer Gesellschaft spielen Zeitersparnis, weltweites Arbeiten und Flexibilität eine große Rolle. Aber wenn Sie krank werden kann sich nicht einfach ein Flugbegleiter um Sie kümmern. Ist natürlich auch ein toller Vergleich. Wenn Sie jung sind und in den Urlaub wollen oder zu Meetings fliegen, sind Sie natürlich froh über den guten Service an Board und, dass alles so schick ist. Sobald Sie das nicht mehr können und gepflegt werden müssen, werden Sie merken, wie viel wichtiger die Gesundheitsbranche wäre, da Sie nicht gut gepflegt werden und nur auf überarbeitete Gesichter treffen.“
„Da scheint sich die Gesundheitsbranche ja wirklich nicht sehr zu rentieren, vielleicht kommen Sie zu uns in die Luftfahrt, es wird auch gut bezahlt.“
„Sie haben nichts verstanden. Und wer kümmert sich dann?“, fragt sie traurig.
„Ach der Markt regelt das schon.“, sagt der Pilot.
„Apropos der Markt…“, sage ich, „wer bezahlt denn jetzt?“
„Ich mache das schon.“, sagt die Krankenpflegerin und bezahlt die 43,56 € mit der Karte.
„Darf ich Ihnen einen Tipp geben? Legen Sie die 1500 Euro Bonus-Zahlung doch in Aktien von VW an. Die schütten gerade 1,5 Milliarden Euro Dividende an ihre Aktionäre aus.“ sagt der Kunde hinter ihr.
„Ach perfekt.“ sagt sie und geht.

Joshua Bode, Vanessa Oestert & Lukas Zipris
Toller Text, vielen Dank!
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