Während Corona allein daheim

Der Sekundenzeiger der Uhr tickt laut vor sich hin: Tick Tack Tick Tack… Die Sekunden verstreichen zu Minuten, der Minutenzeiger klackt einen weiteren Schritt vor. Das Corona- Survivalcamp Allein Zuhause beginnt mit einem neuen, weiteren Tag. Laut dem Statistischen Bundesamt waren 2018 fast 42 % der Haushalte in Deutschland Einpersonenhaushalte und damit ein Großteil, der sich mit sich selbst während Corona auseinandersetzen muss(te).

Da ich mich selbst als gut-mit-mir-verträglich bezeichnen würde, fallen mir die ersten Tage in der landesweit verordneten Corona-Isolation verhältnismäßig leicht, allerdings lässt sich eine zunehmende Schrulligkeit aufgrund der fehlenden Außenkontakte nicht leugnen. Telefonate, Videocalls und entferntes Winken sind keine vergleichbare Alternative zu einem persönlichen Gespräch – die Paranoia hört schließlich am Telefon und im Internet immer mit. Zudem lässt sich ein Hunger nach menschlichen Kontaktn feststellen, wenn das Lächeln eines vorbeifahrenden Radfahrers beim Spaziergang das Highlight des Tages bildet – analog! In Coronazeiten wird das Alleinsein zunehmend von einem Gefühl der Einsamkeit abgelöst.

Die Ungewissheit, wann die Vorlesungen beginnen, wann die Arbeit wieder regulär aufgenommen werden kann und wie lange das sogenannte „social distancing“ durchgehalten werden muss, drückt zusätzlich aufs Gemüt. Zudem habe ich das „Glück“ am 24.03. geboren worden zu sein: Happy birthday to me. Ich muss allerdings zugeben, dass ich noch nie so viele Nachrichten und Anrufe mit Geburtstagswünschen bekommen habe, wie in diesem Jahr. Möglicherweise zwingt die Langeweile zu häufigeren Blicken in den Terminkalender oder einer höheren Auseinandersetzung mit Social-Media-Plattformen, die Bekannten und Freunden meinen Geburtstag in großen Buchstaben ankündigen.

Die folgenden Wochen zeigen ein neues Problem: Worüber soll man sich unterhalten, wenn praktisch nichts passiert? Möglicherweise verstehen wir nun alle unsere Großeltern besser, die minutiös davon berichten konnten (wer glücklich ist, kann seinen/ihren Großeltern jetzt noch zuhören) mit welchem Fuß sie das Bett zuerst verlassen haben, um dann diese oder jene Socke zu suchen, während sie eine Fliege am Fenster beobachtet haben, welche nicht schwarz, sondern grün (!) schimmerte. Was gibt es auch groß allein in einem Haushalt zu tun? Nicht jeder möchte stundenlang telefonieren und sich im Detail die Kochrezepte der vergangenen Wochen oder das Fernsehprogramm beschreiben lassen; auch die Information, wie viele Spinnen sich an der Decke außerhalb meiner Reichweite niedergelassen haben, scheint nur geringen Gesprächsstoff zu bieten und löst eine merkwürdige Stille am Ende der Leitung aus.

Wer nun, wie viele andere auch, auf die Idee kommt, die Einsamkeit mit der Liebe eines Haustieres zu vertreiben, tut sich damit aktuell ebenfalls nicht sehr leicht (und den Tieren langfristig nicht immer einen Gefallen). Selbst eine Katze anzuschaffen, gestaltet sich aufgrund der Kontaktbeschränkungen und Überlastungen der Tierheime als schwierig, wodurch die Vision sich mit illustrer Gesellschaft zu umgeben und als Katzenmutti ein ganzes Heer Katzen zu versorgen, der Realität weichen muss. Auch die Alternative eines Hunderudels schließt sich so aus.

Die Option, die sich mir bietet, um einem zukünftigen, wenngleich hoffentlich temporärem Leben als verrückte Katzenlady (mir schleicht das Bild Eleanor Abernathys aus den Simpsons in den Kopf) zu entgehen, ist die Heimkehr zu meinen Eltern. Glücklicherweise haben sie mein „Kinder-“Zimmer nach meinem Auszug nicht in einen Hobbykeller, ein Fitnessstudio oder Heimkino verwandelt, sodass mein Aufenthalt dort nur eine Rückkehr in den Arm der Familie bedeutet – meine Schwestern haben ein ähnliches Angebot angenommen. Digital spielt es schließlich keine Rolle, wo mein Laptop steht und so entgehe ich der Versuchung meine Wohnungsspinnen zu dressieren und ihnen Namen zu geben.

Ina-Berit Leuchs

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