Viele Unternehmen kämpfen nun schon seit einem Jahr um ihre Existenz, während andere nicht nur trotz, sondern auch wegen der Pandemie Profit machen. Dies geschieht auf Grund vielfältiger Faktoren, wie staatliche Hilfen, Kurzarbeit, Ausbeutung und zurzeit gefragte Angebote.
Wie der ZDF-Magazin-Moderator Jan Böhmermann stellen wir uns ebenfalls die Frage „Wer machte nicht trotz, sondern sogar wegen Corona richtig Asche?“. (ZDF Magazin Royale vom 18. Dezember 2020) Zwar bezog er sich hierbei auf den Gründer der Querdenken-Bewegung 711 Michael Ballweg, doch die Frage lässt sich genauso auf seriösere Geschäftsmodelle anwenden.
Die Pandemie hat alle Unternehmen hart getroffen, doch die Art der Reaktion variiert stark zwischen kleinen Geschäften und Großunternehmen. Es wären höchstwahrscheinlich letztere, welche durch Rücklagen auch ohne staatliche Hilfen überleben würden, sollte man tatsächlich alles ‚den Markt regeln lassen‘. Grund genug sie sich einmal genauer anzuschauen. So nutzen schon zu Beginn der Einschränkungen bekannte Firmen ihre Vormachtstellung aus, um Forderungen zu stellen, von denen das kleine Café an der Ecke nicht mal träumen würde. Während viele Geschäfte und Familien große Mühe hatten, weiter für die Miete aufzukommen, nutzen einige bekannte Großkonzerne die Möglichkeit, Mietzahlungen in der Pandemiekrise hinauszuzögern – darunter Firmen wie Adidas, H&M und Deichmann. Von der Pandemie profitiert haben auch einige Unternehmen der Autoindustrie. Sie nutzten Kurzarbeitsgelder und staatliche Hilfen um trotz der Umstände Profit zu machen, indem sie bei Personalkosten sparten und noch Hilfen in Anspruch nahmen, obwohl sich der Automarkt in anderen Teilen der Welt bereits erholt hatte. So verbuchte Daimler im Jahr 2020 einen „[…] operativen Gewinn von 6,6 Milliarden Euro, ein Plus von 50 Prozent, bei einem Umsatz von 154 Milliarden Euro.“ Unternehmen, die gerade noch staatliche Hilfe und Unterstützung in Anspruch genommen haben, denken schnell wieder vorrangig an ihre Aktionäre. Ein Gewerkschaftler warf außerdem Daimler und anderen Firmen aus der Automobil- und Metallbranche im Südwesten vor, „[…] die Pandemie für Lohn-Dumping zu missbrauchen.“
Ein Beispiel dafür, wie es anders laufen kann, bietet Schweden. Das staatliche Amt für Wirtschaft und regionales Wachstum hat dort klargestellt: „[…] Aktiengesellschaften, die Dividenden an ihre Aktionäre zahlen, erhalten kein Kurzarbeitergeld. Möglicherweise bereits zu Unrecht gezahlte Leistungen würden zurückgefordert.“ Solche Vorgaben sind auch in Deutschland längst überfällig. Einige Versuche für Regulierungen gibt es bereits, so steht in den Konditionen für die neuen KfW-Kreditprogramme, die wegen der Corona-Epidemie aufgelegt wurden, dass „Gewinn- und Dividendenausschüttungen“ während der Laufzeit „nicht zulässig“ sind. Auffällig sind besonders die fehlenden Vorgaben beim Kurzarbeitergeld, welches Unternehmen auch beantragen können, wenn sie weiterhin Dividenden ausschütten. Dies taten viele der 30 Dax-Konzerne, während sie gleichzeitig ihren Aktionären 2020 knapp 35 Milliarden Euro überwiesen. Der Ungleichheitsforscher Christoph Butterwegge merkt hierzu an: “Es gibt ein deutliches Übergewicht zugunsten der großen Unternehmen, die selbst dann unterstützt werden, wenn das unnötig ist.”

Doch wie sieht es bei den Unternehmen aus, die nicht vom Staat gefördert werden? Die Digitalisierung ist nicht mehr wegzudenken, ebenso wenig wie digitale Unternehmen. Netflix, Tinder, Zoom und co. – was wäre unser (aktuelles) Leben ohne sie?
Diese Unternehmen waren ohnehin bereits vor dem Pandemieausbruch in der Gesellschaft präsent und nachgefragt. Doch nun handelt es sich bei ihnen um wahre Größen unseres Alltags. Das soziale Leben ist eingeschränkt, soziale Kontakte begrenzt. In die dadurch entstehenden Lücken treten die genannten Unternehmen – Netflix als Home-Kino, Tinder als Partnerbörse und Kontaktstelle und Zoom als Plattform des digitalen Austausches via Videochat für Unternehmen, Universitäten, Sportvereine usw.
Die Anzahl der weltweiten Netflix-Nutzer*innen stieg im letzten Quartal 2020 auf über 200 Millionen an. Somit setzte sich der Streaming-Anbieter gegen die Konkurrenten, wie Disney+ oder Amazon Prime, durch. Trotz weniger Neuheiten und vielen Verzögerungen bei Produktion und Veröffentlichung, kann man hier auf Grund des großen Streaming-Booms von einem ganz klaren Profiteur der Pandemie sprechen.
Einen wahren Zuwachs erleben auch Dating-Plattformen, wie Tinder. Zu Beginn der Pandemie, im März 2020, knackte dieses Unternehmen seinen ‚Swipe-Rekord‘. „Nie wurde öfter durch die verschiedenen Partnervorschläge ‚gewischt‘.„. Ein ähnliches Phänomen zeigte sich auch bei Zoom, einer Plattform für Unternehmen, die binnen weniger Monate zu einem Alltags-Werkzeug der breiten Masse wurde: „Im April [2020] gab es bis zu 300 Millionen Teilnahmen an Videokonferenzen täglich – im Vergleich zu zehn Millionen noch im Dezember [2019].“

Aber nicht nur die digitalen Unternehmen passten sich an die aktuelle Lage an und profitierten. Seit dem Lockdown konnten Restaurants ihre Gerichte nur noch „To Go“ verkaufen, weswegen das Geschäftsmodell des Lieferdienstes Lieferando auf den ersten Blick als Rettung für die Gastronomie erschien. Bei jeder Bestellung, die über Lieferando getätigt wird, müssen jedoch die Restaurants einen Anteil von 30% als Provision zahlen. Bei einer Bestellung zum Abholen sind es 13%. Trotz eines Rabatts von 25% während des Lockdowns ist das Modell für die meisten Restaurants nicht sehr profitabel, dennoch sind viele Geschäfte auf diese Kooperation angewiesen. Derzeit sind 5000 Angestellte bei Lieferando beschäftigt, die für 10,50 Euro pro Stunde mit ihrer orangefarbenen Uniform und ihren Fahrrädern durch die Stadt fahren.
Das Handy und das Fahrrad muss selbst mitgebracht werden zur Schicht und falls das Fahrrad kaputt gehen sollte, werden die Reparaturen nicht übernommen.

Die App, welche viel Datenvolumen und Akku verbraucht, deren anfallenden Kosten nicht übernommen werden, speichert viele personalisierte Daten auf einem externen Server. Darunter zählen die sekundengenaue Rückverfolgung der Fahrer*innen, die Geschwindigkeit der zu verrichtenden Arbeit und ob die vorgegeben Zeiten eingehalten werden. Der Betriebsrat bekam bis heute wenig Einblick auf die Funktionalität der App und der gespeicherten Daten.
Wir haben gesehen, dass einige Unternehmen die Pandemie zu ihren Gunsten nutzen konnten, jedoch stellt sich die Frage nach Gerechtigkeit und Solidarität gegenüber kleineren Unternehmen, welche nicht über dieselben finanziellen Mittel verfügen bzw. diese gestellt bekommen. Dass die Prioritäten sich entweder nur nach den eigenen Profiten oder nach dem Allgemeinwohl richten können, ist allgemein bekannt. Leider hat daran selbst eine Zeit in der um Solidarität gerungen wird nichts geändert. Jedoch sollte man sich Gedanken darüber machen, wie die Zukunft gestaltet werden sollte, um den durch die Pandemie verstärkten Ungerechtigkeiten entgegenzuwirken. Ein möglicher Lösungsansatz wäre hierbei die Beteiligung der Profiteure an den Kosten der Pandemie, beispielsweise durch eine Art Solidaritätsbeitrag. Aber ob dies auf die Zustimmung der profitierenden Unternehmen treffen würde, bleibt fraglich. Genau deshalb ist es essentiell, sich selbst in Krisenzeiten vor Augen zu führen, welche Prioritäten gesetzt werden und wer durch diese profitiert.
Anne Haußner, Nele Damm & Melisa Meral