Die Finanzierung des Lebensunterhalts ist für Studierende während des Studiums ein sehr zentraler Aspekt. Damit einhergehend sind studentische Nebenjobs, denen junge Menschen in den verschiedensten Bereichen nachgehen von großer Relevanz. Sie dienen dem Erlangen von zukunftsrelevanten Fähigkeiten und Kontakten, besonders aber auch der Finanzierung der Lebenskosten. Die geringen Löhne dieser Beschäftigungen reichen jedoch bei weitem nicht aus, um selbstständig alle Kosten des Studiums zu decken. Finanzielle Unterstützung seitens der Eltern oder staatliche Förderungen sind somit notwendig, aber inwiefern wird das BAföG den finanziellen Problematiken und den sich wandelnden Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt gerecht?
Wenn die Eltern ihre Kinder im Studium nicht hinreichend finanziell unterstützen können, kommt das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) als staatliche Förderung in Frage. Dieses hat zur Aufgabe allen jungen Menschen unabhängig von der sozioökonomischen Lage der Eltern eine tertiäre Ausbildung zu ermöglichen. Es ist eine staatliche Förderung, die nur zur Hälfte und zinsfrei, fünf Jahre nach Beendigung der Ausbildung zurückgezahlt werden muss und mögliche soziale Ungleichheiten im Zugang zur Hochschulbildung kompensieren soll.
Allerdings ergibt aus der Betrachtung derjenigen Studierenden, die aus einem Haushalt stammen, in dem die Eltern über keinen akademischen Abschluss verfügen, dass der Anteil dieser Gruppe bei weitem unter dem Niveau derjenigen liegt, deren Eltern über jenen Abschluss verfügen. Soziale Herkunft scheint also ein entscheidender Faktor dafür zu sein, ob sich jemand für oder gegen eine Hochschulausbildung entscheidet und Ursache für Ungleichheit im Zugang zu höheren Bildungsabschlüssen, die das BAföG nicht in vollem Maße ausgleichen kann.
Aus der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes im Jahr 2016 geht hervor, dass Studierenden in Deutschland durchschnittlich insgesamt 918 Euro monatlich für die Finanzierung von Lebenserhaltungskosten und Studium zur Verfügung stehen. Die Zusammensetzung dieses Budgets unterscheidet sich in den Finanzierungsquellen der Studierenden abhängig davon, ob die Bildungsherkunft als „hoch“ oder „niedrig“ eingestuft wird, besonders wenn es um die Beiträge der Eltern geht. Bei Studierenden mit „höherer“ Bildungsherkunft liegt der Beitrag der Eltern zum finanziellen Gesamtbudget bei 66%, während er bei denen mit „niedrigerer“ bei 33% liegt. BAföG stellt 21% der Einnahmequelle bei Studierenden mit „niedriger“ Bildungsherkunft dar, hingegen mit „hoher“ Bildungsherkunft nur 5%. Diese Zahlen zeigen wie stark die finanzielle Absicherung im Studium vom elterlichen Einkommen abhängt. Deutlicher wird dies, aus der Aussage der Herkunftsgruppe „niedrig“, bei der 51% der Studierenden ihre Finanzierungssituation als gesichert angeben, im Vergleich zu den 81% der Studierenden innerhalb der Herkunftsgruppe „hoch“. Es erscheint mir also fraglich, ob das BAföG die finanzielle Lage von Eltern und Studierenden entlastet. Wohnkosten zum Beispiel machen anteilig die größte monatliche Ausgabe aus, dabei steht einem Durchschnittspreis von 414 Euro (warm) ein Wohnzuschlag von 325 Euro im Rahmen des BAföG für ein WG-Zimmer in deutschen Universitätsstädten gegenüber. Während der Wohnzuschlag des BAföG weder an das jeweilige Mietpreisniveau einer Stadt noch an die Mietpreisentwicklungen parallel angepasst wird, erscheint mir die durchschnittliche Differenz von 89 Euro, in Anbetracht der rasch steigenden Mietpreise in Deutschland, als eine ernstzunehmende Disparität.
Ein für mich persönlich recht interessanter Punkt, ist die Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2021 anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des BAföG. Aus dieser geht hervor, dass sich von 1991 bis 2019 der Anteil von Studierenden, die von eigener Erwerbstätigkeit lebten, verdreifacht hat (von 11% auf 33%). Im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage der Studierenden liefert diese Entwicklung Hinweise dafür, dass die finanziellen Grundlagen von Eltern und Studierenden bzw. die hohen Lebenserhaltungskosten nur eingeschränkt durch das BAföG entlastet werden. Eine Tätigkeit neben dem Studium scheint also nicht primär der Sammlung von Berufserfahrung zu dienen, eventuell zukunftsrelevante Kontakte zu knüpfen und Rücklagen für die Zeit nach dem Studium aufzubauen, sondern um gegenwärtige Kosten decken zu können.
Studierende stehen also der zentralen Herausforderung gegenüber Gelderwerb und das Aufbauen von zukunftsrelevanten Netzwerken und Fähigkeiten neben dem Studium zu vereinbaren. Das ist nämlich unter den gegebenen Umständen, mit denen Studierende angestellt werden eine schwierige Aufgabe. Da in vielen Bereichen seitens der Arbeitgeber*innen auf geringfügige Beschäftigungen mit niedrigen Löhnen gesetzt wird (durchschnittlich 11,62€/h). Hinzu kommen die hoch flexibilisierten Arbeitsverhältnisse für Studierende, die den Arbeitgeber*innen ermöglichen ungewollte und einfache Tätigkeiten in großem Maße auszulagern. Den Arbeitgeber*innen werden Aufgaben abgenommen, die wenig Einweisung erfordern, sodass viel Zeit eingespart werden kann. Sie profitieren davon und müssen sich nicht mehr weiter darum kümmern, von den studentischen Hilfskräften wird ohnehin Selbstständigkeit verlangt. Und auch Kündigungen lassen sich von den Unternehmen leicht verkraften, da es genügend motivierte Studierende mit der Hoffnung Neues zu lernen und Geld zu verdienen gibt, die auf der Suche nach einem Job sind. So können Personen schnell ersetzt werden, ohne dass sich mit Einzelnen intensiver beschäftigt werden muss. Inwiefern dadurch Studierende tatsächlich ihre eigenen berufsrelevanten Kompetenzen erweitern, und Beziehungen knüpfen können, ist fraglich.
Die 450 Euro als Einkommensgrenze für BAföG-Beziehende sorgt zusätzlich für eine stetige Bedienung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. In einem solchen Arbeitsverhältnis profitieren somit vermehrt die Arbeitgeber*innen. Geringfügig Beschäftigte verfügen über eine geringere soziale Absicherungen, während Arbeitgeber*innen durch eben diese, geringe bzw. keine Sozialabgaben leisten müssen. So werden darüber hinaus durch geringere Löhne als Teil des Niedriglohnsektors, mehr Arbeitskraftstunden generiert. Die Corona-Pandemie hat sehr deutlich gezeigt, wie fatal ein plötzlicher Lohnausfall sowie fehlende Absicherungsmechanismen für geringfügig beschäftigte Studierende sein kann. Die durch die neue Bundesregierung geplante Erhöhung der Minijob Grenze auf 520€ (ab Oktober 2022), erweckt zunächst den Eindruck Vorteile oder Entlastungen mit sich zu bringen. Im aktuellen Koalitionsvertrag der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP, wird dieser Prekarität jedoch nur ein kurzer Absatz zum Thema Mini- und Midijobs gewährt. Darin ist kein Vorhaben hinsichtlich sozialversichernder Instanzen und Konzepte für Arbeitnehmer*innen innerhalb der Minijobs erkennbar. Die Möglichkeit für Arbeitnehmer*innen längerfristig in sicheren und fairen Arbeitsverhältnissen zu leben wird so massiv erschwert. Die Gehaltsgrenze wird bei „Minijobs“ lediglich um 70 Euro erhöht, eine Reform in Bezug auf sozialversichernde Maßnahmen bleibt aber aus. Das bedeutet für BAföG Beziehende eine weitere Notwendigkeit für einen Nebenjob mit prekären und unsozialen Arbeitsverhältnissen. Die sozialen Umständen ändern sich durch die 70 Euro mehr im Monat nämlich nicht drastisch, ebenso unklar sind die folgenden Auswirkungen in Bezug auf das BAföG, da keinerlei Informationen darüber wie sich die Änderung auf die Förderungen auswirken vorliegen. Somit wird klar, dass durch das BAföG eindeutig die Grundlage für das Fortbestehen von Minijobs mitgefördert wird.
Was rechtfertigt also die aktuelle Grenze von 450 € monatlich beim BAföG und noch viel wichtiger: Wie kann es sein, dass ein wohlfahrtsstaatliches Konzept der Ausbildungsförderung diese prekären Arbeitsverhältnisse letzten Endes mitgestaltet bzw. weiter erhält?
Elena Manevic